Einkaufszentren geraten unter Druck

Der Internethandel droht den Einkaufszentren das Wasser abzugraben, und neue Standorte in den Metropolen werden knapp. Wachstum fällt da schwer, gefragt ist mehr als je Phantasie.

In zahlreichen Analysen werden derzeit Einkaufszentren genannt, wenn es um eine Alternative zu den inzwischen teuren Investitionen in Büros in den deutschen Bestlagen geht. Doch auch das Geschäft mit Einkaufszentren (oder Shoppingcenter) hat seine Tücken. Als eine der größten Herausforderungen nennt Matthias Böning, der Vorstandsvorsitzende des Shoppingcenter-Spezialisten MFI, den Einkauf über das Internet.
Während die gesamten deutschen Konsumausgaben in den vergangenen zehn Jahren gerade einmal von gut 400 auf 428 Milliarden Euro gewachsen sind, wächst der Einkauf über das Internet jährlich um mehr als 10 Prozent. Auch wenn der Anteil am Konsum zuletzt nur bei 7 Prozent lag, nimmt er rasch zu. Nach Bönings Erwartungen bald auf 10 Prozent und in einigen Jahren auf 20 Prozent. „Das geht auch auf unsere Kosten“, gibt Böning zu.

Aus seiner Sicht kann die Shoppingcenterbranche dem Internet dennoch standhalten: „Wir stellen uns nicht dagegen, sondern machen mit.“ Schlüsselbegriffe seien das Einkaufserlebnis und der Kontakt zu den Menschen, den das Internet allein nicht bieten könne. Als Beispiele für neue Ideen nennt Böning kostenlosen Internetzugang im Einkaufszentrum, mit dem Kunden Angebote vergleichen können; die Einrichtung einer Abholstelle für Pakete im Shoppingcenter, die Kunden zuvor von zu Hause oder vom Büro aus online bestellt haben – damit müssen Verbraucher nicht zu Hause auf Zulieferung warten oder die Nachbarn einschalten und finden eher den Weg zum stationären Einkauf; auch digitale Aquarien, Kinderlandschaften oder attraktive Raucherlounges nennt Böning als Beispiele, wie sich Einkaufserlebnisse verstärken lassen.

Auch Alexander Otto, der Chef des führenden deutschen Shoppingcenterspezialisten ECE, lässt erkennen, dass sich sein Konzern verstärkt mit dem Internet beschäftigt. „Schon bei der Auswahl der Mieter müssen wir künftig deren Zukunftsfähigkeit in der digitalen Welt bewerten“, sagt Otto. Man müsse akzeptieren, dass durch den Online-Druck etwa der Buchhandel oder die Unterhaltungselektronik nicht mehr so viel Flächen wie bisher benötigten. Dafür könne man aber Marken akquirieren, die bisher weniger stationär zu finden waren. Als Beispiele nennt Otto Lego, Samsung und Vorwerk – „das sind nur einige der Namen, die sich weniger um des Verkaufes willen als vielmehr im Rahmen ihrer Markenbildung auf stationären Flächen ansiedeln.“ Sogar Autokonzerne kann sich Otto künftig auch im Shoppingcenter vorstellen. Diese „denken intensiv darüber nach, ob sie ihre Fahrzeuge künftig statt in unattraktiven Autohäusern an großen Ausfallstraßen besser im hochwertigen Ambiente eines Centers präsentieren“.

ECE testet derzeit in zwei Einkaufszentren in Essen und Hamburg Innovationen, wie sich die digitale Welt und der stationäre Handel verbinden lassen, Dass neue Ideen, neue Kunden und die Verbesserung des Ambientes indes nicht ausreichen werden, um die gesamte Shoppingcenterbranche vor Einbußen zu bewahren, zeigt ein Blick auf die Branchenstruktur. Von den 460 bis 470 deutschen Shoppingcentern hält Steffen Hofmann, bei dem Finanzdienstleister Henderson Global Investors für Einzelhandelsimmobilien zuständig, nur 80 Prozent für überlebensfähig. In Gefahr geraten nach Hofmanns Einschätzung vor allem Einkaufszentren in zweitklassigen Lagen in kleineren Städten, während Zentren in guten Lagen mit größerem Einzugsgebiet begünstigt seien. Otto erläutert, dass Topstandorte in den Metropolen inzwischen rar werden. In den etwas kleineren Städten müsse man intensiv analysieren, bevor man ein Zentrum entwickle – Einzugsgebiet, Kaufkraft und Mieterinteressen seien die wichtigsten Stichworte. So plant ECE derzeit auch Centren in Aachen, Kaiserslautern, Neumünster, Minden und Velbert. Böning sieht noch Chancen in Großstädten, allerdings eher in der Weiterentwicklung bestehender Zentren als im Neubau. Auch in kleineren Städten könne sich in Bestlagen ein neues Einkaufszentrum noch lohnen – etwa wenn das zentrale Warenhaus aufgebe und damit Platz an geeigneter Stelle frei werde. Generell sollte die Stadt aber mindestens 120 000 Einwohner haben, damit sich ein Vollsortiment auch lohnt.

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